Ehemaliger Gasthof in Oberweißig

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Gasthof um 1905
Der ehemalige Gasthof in Oberweißig wurde Gasthof "Zur Erholung" aber auch einfach "Bessers Gasthof" genannt.
Der erste Hinweis zum Gasthof stammt aus dem Jahr 1838 in Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf an  Karl Leuschner. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der auf dem Grundstück befindliche Hof auch schon um 1235 existierte. Wie in vielen Orten üblich, hatte auch Weißig zunächst den Reiheschank. Die Schankberechtigung wurde durch Los oder anderen Regelungen  von Hof zu Hof  weitergegeben. Später konnte man die Berechtigung pachten oder kaufen. In einer Gemeindeakte vom 12. Januar 1840  heißt es: „Es  wurde der Reiheschank von Fastnacht 1840 auf 10 aufeinander folgende Jahre … an den 1/6 Hüfner Karl Dankegott  Leuschner für 15 Thaler und 12 Ngr. alljährlicher  Betrag, … verpachtet. Auch macht sich Bedachter verbindlich, die draufkommende Gewerbesteuer zu entrichten, sowie auch bei Tanzmusik, jeweils 8 Groschen in die hiesige Armenkasse zu zahlen“. Später einigte man sich dahin, die Bierschankgerechtigkeit für ein Kapital von 400 Thalern zu verkaufen und machte zur Bedingung, dass diese 400 Thaler als Hypothek  auf  dessen Grundstück stehen bleibe und er 4% alljährlich zu entrichten habe. Eine „Salzwaage mit Gewichten“ wurde von der Gemeinde angeschafft und dem Schankwirt übergeben, der auch den „Salz - Verkauf“ ausübte.

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Postkarte um 1919 Gasthof mit Varanda
Am 10. April 1851 übernimmt Karl August Schumann aus Hermsdorf Grundstück und Gasthof. Mit der Schankgerechtigkeit war auch die Fleischhauerei verbunden gewesen. Er führte umfangreiche Ausbau- und Erneuerungsarbeiten am Gasthof durch. 1860 wurden die Arbeiten abgeschlossen und der Gasthof erhielt sein endgültiges Aussehen. Der Wasserstolln auf dem Gasthofgelände wurde für die Trinkwasserversorgung und für den Gondelteich verwendet.
Nach 3 kurzzeitigen Besitzerwechseln kaufte dann am 28. April 1891 Max Besser das Grundstück. Der Gasthof blieb über 100 Jahre im Besitz der Familie Besser und erlebte in dieser Epoche Blütezeit und Untergang. Da der Tanzsaal  „nicht mehr der Zeit entsprach“  kaufte Besser 1896 die alte aus dem Jahre 1847 stammende Großopitzer Holländermühle. Er ließ sie sprengen und baute 1896/97 aus dem gewonnenen Steinmaterial einen großen und schönen Saal. Die Veranda an der Süd-Ostseite wurde 1899 fertig gestellt und belebte den Gartenbetrieb. Der jetzt „Zur Erholung“ genannte Gasthof entwickelte sich nun zu einem sehr beliebten Ausflugsort. Die gegenüberliegende Weißiger Vogelwiese  wurde für Volksfeste mit Karussell, Luftschaukel, Bierausschank, Schweinsprämien, für Vogelschießen und vielerlei Buden,  Fahrgeschäfte und Kinderbelustigung zu den verschiedensten Anlässen genutzt. Im Garten fand neben dem normalen Biergarten- und Kaffeegeschäft auch Gondelbetrieb statt und eine Wasserrutsche wurde betrieben. Im Gasthof wurden regelmäßig große Tanzabende durchgeführt. Die 1938 errichtete ständige Kraftpostverbindung zog zusätzliche Besucher an.

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Ansicht der Saalruine
Während des 2. Weltkrieges wurden Fremdarbeiter auf dem Saal einquartiert, die im Edelstahlwerk und in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Auch in den schweren Zeiten nach dem Krieg wurden die Vogelwiese, Tanzveranstaltungen, Fasching, aber auch die Veranstaltungen der Firmen und Vereine, besonders der Sportlerball und der Feuerwehrball,  ausgelassen und heftig gefeiert. Die beliebtesten Plätze im Saal waren auf der Galerie, von hier aus konnte man das ganze Geschehen auf Bühne und Tanzfläche am besten überblicken. Der Saal wurde mehrfach renoviert und für das Landfilmkino sowie als Spielstätte des Tharandters Puppentheaters und als Kinderferienlager genutzt.


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Blick in den zusammengestürzten Saal
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Beginn der Abrissarbeiten
Der letzte Wirt, Kurt Besser, verstarb am 25.6.1958 in Weißig und der letzte Tanzabend im Gasthof fand  Weihnachten 1958 statt. Saal und Gasthof wurden dann als Schlittenlager und Konsum genutzt. 1979 ging der Gasthof in den Besitz des VEB Gebäudewirtschaft in Freital über und wurde somit “Eigentum des Volkes”. Danach verfiel das Gebäude sehr schnell. Der Dachstuhl vom Saal brach zusammen. Schließlich wurde Ende 2009 der Abriss des Gebäudes vorgenommen.




Die Broschüre 170 Jahre "Gasthof zur Erholung" Weißig mit ausführlicheren Informationen und historischen Abbildungen kann hier über den Kontakt im Impressum bestellt werden.


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Ein Hüfner (oder Hufner, auch: besessener Mann) ist ein Bauer, der eine oder mehrere Hufen Land besitzt und bewirtschaft. Die Hufe ist ein altes Ackerflächenmaß, von den Erträgen dieser Feldgröße kann sich eine Familie ernähren. Die Größe war regional und je nach Bodenbeschaffenheit sehr unterschiedlich. Häufig beträgt eine Hufe 30 Morgen, es gibt aber auch andere Angaben. Nach heutigem Maßsystem handelt es sich bei einer Hufe um etwa 7 bis 30 ha (im Sächsischen meist um 20 ha) Ackerfläche. Die Hufen waren oft längere Streifen, die an dem an der Dorfstraße stehenden Gehöft begannen und sich bis zum Wald erstrecken konnten (Waldhufendorf).